Was Bienen Wert sind

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Pressebericht aus der „ Berliner Zeitung „ vom 13.09.2008 Autorin: Kerstin Viering
Was Bienen und Hummeln wert sind
Bestäubende Insekten sind auf dem Rückzug. Bleiben ihre Dienste aus, drohen der Landwirtschaft Milliardenverluste. Sechsbeinige Arbeitnehmer haben in den Bilanzen der Weltwirtschaft bisher keine Rolle gespielt. Zu Unrecht, wie viele Ökologen und auch einige Wirtschaftswissenschaftler sagen. Denn Insekten erbringen ökonomische Leistungen, die sich durchaus sehen lassen können. So müssten sich Landwirte ohne Bienen und Hummeln auf ziemlich harte Zeiten einrichten. Schließlich liefern viele Kulturpflanzen nur dann den gewohnten Ertrag, wenn Insekten ihre Blüten bestäuben. Was passiert, wenn solche Dienstleistungen
der Natur ausfallen, weil der Mensch die jeweiligen Arten dezimiert? Das ist eine der Fragen, über die Wissenschaftler in der kommenden Woche beim bisher größten europäischen Ökologen-Kongress in Leipzig diskutieren werden. Mehr als tausend Teilnehmer aus gut dreißig Ländern haben sich zu der Konferenz
angemeldet, die das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) gemeinsam mit den Universitäten Halle-Wittenberg und Leipzig organisiert. Die Palette der vorgestellten Studien wird immer wieder deutlich machen, dass der globale Artenschwund keineswegs nur ein ästhetisches Problem für Romantiker und
Naturenthusiasten ist Gefahr für Obst und Gemüse.
"Um unser tägliches Brot müssen wir uns auch ohne Bestäuber keine Sorgen machen", sagt der Insektenexperte Josef Settele vom UFZ. Denn Weizen, Roggen und Hafer lassen ihre Pollen nicht von Tieren, sondern vom Wind verbreiten. Auch Reis, Mais und andere Getreidearten, die bei der Ernährung der Weltbevölkerung eine wichtige Rolle spielen, setzen auf diese Strategie. Die Kohlenhydratversorgung der Menschheit scheint also gesichert zu sein. "Bedenklicher ist die Lage bei den
Vitaminen", warnt Josef Settele. Denn viele Obst- und Gemüselieferanten sind besonders stark vom Bestäubungsservice der Sechsbeiner abhängig. Sie verlassen sich dabei vor allem auf die Dienste von Bienen.
Zu dieser wichtigen Gruppe von Bestäubern gehören nicht nur die bekannten Honigbienen aus den Stöcken der Imker, sondern auch Hummeln und zahllose andere Wildbienen. "Deren Verdienste werden allerdings oft nicht so recht wahrgenommen", sagt Josef Settele. Dabei gibt es allein in Deutschland mehrere Hundert Wildbienenarten, die im Gegensatz zu ihren berühmten Verwandten meistens nicht in Völkern zusammenleben. Viele dieser Einsiedler haben sich auf die Bestäubung bestimmter Pflanzenarten spezialisiert. Das gilt auch für die Tag- und Nachtfalter, von denen in Deutschland mehr als 1 500 Arten herumflattern. Sie sind mit ihren langen
Saugrüsseln vor allem für Nelken und andere Blüten mit langen Kelchen zuständig.
Die meisten Schwebfliegen dagegen sind bei der Auswahl ihrer Blüten nicht besonders wählerisch. "Zwar gibt es auch in anderen Insektengruppen einzelne Bestäuber", sagt Josef Settele. "Doch deutlich mehr als 90 Prozent dieser Dienstleistung übernehmen die Bienen, Schwebfliegen und Schmetterlinge

Die aber scheinen in vielen Regionen der Welt auf dem Rückzug zu sein. Im Jahr 2006 haben UFZ-Forscher gemeinsam mit britischen und niederländischen Kollegen den Bestäuberschwund in Großbritannien und den Niederlanden dokumentiert. Für diese Länder gibt es aus den vergangenen Jahrzehnten sehr viele Aufzeichnungen über die Vorkommen der Sechsbeiner; weitere Daten haben die Forscher selbst erhoben. Die Studie, die im Fachjournal Science veröffentlicht wurde, zeichnet ein alarmierendes Bild. In fast achtzig Prozent aller untersuchten Gebiete ist die Vielfalt der Bienenarten in den vergangenen Jahrzehnten stark zurückgegangen. "Betroffen waren vor allem Spezialisten, die auf einige wenige Pflanzenarten angewiesen sind", sagt Josef Settele.

Offenbar ist vielerorts ein fataler Kreislauf in Gang gekommen: Durch die intensiver werdende Landwirtschaft sind blütenreiche Lebensräume wie nährstoffarme Trockenrasen vielerorts zur Rarität geworden. Mit den Blüten aber verschwinden auch ihre Bestäuber - und damit werden die jeweiligen Pflanzen noch seltener.
Schon lange befürchten Ökologen, dass solche Prozesse in Zukunft die Artenvielfalt von Wildpflanzen dezimieren und ganze Ökosysteme drastisch verändern könnten.
Auch für die Landwirtschaft dürfte der Verlust der Bestäuber nicht ohne Folgen bleiben.

Was aber passiert, wenn sich der Schwund der Bestäuber weiter fortsetzt? Die wirtschaftlichen Verluste, die dann drohen, konnten Wissenschaftler bis vor Kurzem nur sehr grob abschätzen. "Wenn man den Wert dieser Insektendienstleistung beziffern will, muss man eine ganze Reihe von ziemlich komplizierten Berechnungen anstellen", sagt Josef Settele. Im Wesentlichen geht es darum, den Verkaufspreis aller Agrarprodukte zusammenzuzählen, deren Pollen von fliegenden Blütenbesuchern verbreitet werden. Allerdings stimmt der einfache Grundsatz "keine Bienen, keine Ernte" auch nicht immer. Denn manche Nutzpflanzen wie etwa Wassermelonen werden mitunter auch von Hand durch den Menschen bestäubt. Dann aber fällt die Ernte magerer aus und hat eine schlechtere Qualität.

Um trotz dieser komplexen Verhältnisse einen genaueren Eindruck von der Wirtschaftsleistung der Insekten zu gewinnen, hat sich Josef Settele gemeinsam mit französischen Kollegen eine echte Geduldsarbeit aufgehalst. Zunächst haben die Forscher abgeschätzt, wie stark die hundert wichtigsten der weltweit zur menschlichen Ernährung angebauten Pflanzen auf ihre Bestäuber angewiesen sind.
"Uns hat interessiert, welcher Anteil der Ernte bei den jeweiligen Gewächsen von der Leistung der Insekten abhängt", erläutert der Ökologe. Anschließend haben sich die Wissenschaftler in die Statistiken der Welternährungsorganisation FAO vertieft. Für das Jahr 2005 haben sie für sämtliche analysierten Pflanzen die weltweiten Erntemengen und deren wirtschaftlichen Wert herausgesucht. Einbußen auch bei Kaffee Aus diesen Angaben lassen sich mehrere interessante Schlüsse ziehen, berichten die Forscher in der August-Ausgabe des Fachmagazins Ecological Economics. So sind insektenbestäubte Feldfrüchte offenbar deutlich wertvoller als windbestäubte
Während die erste Kategorie im Durchschnitt 761 Euro pro Tonne einbrachte, waren es bei der zweiten gerade einmal 151 Euro.
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Vor allem aber ließ sich mit komplexen Formeln für Gruppen von Lebensmitteln berechnen, welche wirtschaftlichen Verluste ein Totalausfall der Bestäuber weltweit mit sich bringen würde. Jeweils 50 Milliarden Euro hätten demnach im Jahr 2005 allein die Obst- und Gemüsebauern in den Wind schreiben müssen. 39 Milliarden Euro Verlust wären bei den essbaren Ölsaaten wie Raps oder Sonnenblumen dazu gekommen. Und auch bei Kaffee, Kakao, Nüssen und Gewürzen wären die Ernten
und Umsätze deutlich schlechter ausgefallen. Insgesamt beziffern die Forscher den drohenden Verlust bei einem Verschwinden der Bestäuber auf 153 Milliarden Euro. Das sind 9,5 Prozent des Wertes der globalen landwirtschaftlichen Nahrungsmittelproduktion; die Zahl entspricht auch dem gesamten Jahresumsatz der deutschen Chemieindustrie.
 
cornelius schrieb:
Was passiert, wenn solche Dienstleistungen der Natur ausfallen, weil der Mensch die jeweiligen Arten dezimiert? Das ist eine der Fragen, über die Wissenschaftler in der kommenden Woche beim bisher größten europäischen Ökologen-Kongress in Leipzig diskutieren werden. Mehr als tausend Teilnehmer aus gut dreißig Ländern haben sich zu der Konferenz angemeldet, die das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) gemeinsam mit den Universitäten Halle-Wittenberg und Leipzig organisiert.


Da wäre ich aber sehr gerne dabei und Dankeschön für diesen sehr wertvollen Beitrag Cornelius.

Eine Bitte, solltest Du eventuell dabei sein oder ein Resume dieses Kongresses zu sehen bekommen, dürften wir dann auch davon erfahren?

Josef
 
Ja Josef ich werde an dem Kongress teilnehmen und später Bericht erstatten !

Herzliche Grüße
Cornelius
 
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